Von diesem Leistungsausschluss nicht betroffen, sind Personen mit einem sogenannten Daueraufenthaltsrecht. Das Daueraufenthaltsrecht entsteht unter anderem nach fünf Jahren des rechtmäßigen Aufenthalts (§ 4 a Abs. 1 FreizügG/EU).

Aber wann ist ein Aufenthalt für EU-Bürger aus anderen Mitgliedsstaaten in Deutschland rechtmäßig?

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass Daueraufenthaltsrecht könne nur dann entstehen, wenn man über 5 Jahre lang die Freizügigkeitsvoraussetzungen des FreizügG/EU erfüllt, also insbesondere ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer oder Selbständiger hat oder über ausreichend Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz verfügt (BVerfG 1 C 22.14 vom 16.07.2015). Nach dieser Auffassung kann ein Daueraufenthaltsrecht sogar dann nicht entstehen, wenn sich ein EU-Bürger ohne Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer, Selbständiger oder ausreichend Krankenversicherungsschutz nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält.

Nach der Entscheidung Alimonovic des Europäischen Gerichtshofs (Alimanovic C-67/14 vom 15.09.2015), muss diese Rechtsauffassung wohl als überholt gelten. Denn in dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass auch der Aufenthalt zur Arbeitssuche rechtmäßig ist, wenn eine begründete Aussicht besteht, eine Arbeit zu finden.

Noch nichts gesagt ist damit aber, wann ein Aufenthalt “rechtmäßig” ist, damit ein Daueraufenthaltsrecht entsteht. Denn nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bleibt der Aufenthalt auch bei Nichtvorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen rechtmäßig, solange nicht der Verlust des Aufenthaltsrechts von der Ausländerbehörde festgestellt wurde. Ein EU-Bürger kann sich also auch dann in Deutschland rechtmäßig aufhalten, wenn er keines der Kriterien für die Freizügigkeit erfüllt.

Folgerichtig hat das Landessozialgericht in einer Eilentscheidung L 7 SO 1512/16 ER-B vom 9.6.2016 ausgeführt:

“Es ist bereits fraglich, ob der Antragsteller - unter Zugrundelegung der Ablehnungsentscheidung des Jobcenters - nach 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Denn nach seiner nicht widerlegten Angabe hält er sich seit mehr als fünf Jahren ständig im Bundesgebiet auf. Soweit das Jobcenter im Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 - dessen ordnungsgemäße Bekanntgabe und damit dessen Bestandskraft der Senat im vorliegenden Verfahren nach Aktenlage nicht beurteilen kann - ausgefiihrt hat, dem Antragsteller stehe kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe des 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. 4a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) zu, weil er im maßgeblichen Zeitraum nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verftigt habe, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Jobcenter die sog. Freizügigkeitsvermutung zu Lasten des Antragstellers unberücksichtigt gelassen hat. Ein Unionsbürger hält sich danach grundsätzlich solange rechtmäßig im Bundesgebiet auf und unterliegt dem FreizügG/EU, bis die Ausländerbehörde eine Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach 2 Abs. 1 FreizügG/EU erlassen hat […].” Nach dieser Ansicht kann ein Daueraufenthaltsrecht nach fünf Jahren des Aufenthalts also auch ohne die Erfüllung der Freizügigkeitskriterien ergeben, wenn während dieses Zeitraums keine Verlustfeststellung erfolgt ist, da solange der Aufenthalt als “rechtmäßig” gilt.

Arbeitslose EU-Ausländer, die sich über fünf Jahre in Deutschland aufhalten ohne dass der Verlust des Aufenthaltsrechts von der Ausländerbehörde festgestellt wurde, könnten also einen Anspruch auf Leistungen gegenüber den Jobcentern haben.

Wenn Sie mehr zu dem Thema Sozialhife für EU-Bürger lesen möchten, besuchen Sie unsere Beitäge vom 01.06.2016 und vom 20.05.2016.